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Bienennest im Rolladenkasten

Bienennest im Rolladenkasten

Geschätze Lesezeit: 5 Minuten
20.02.2025
Der Rollladenkasten stellt für Wild- und Honigbienen einen attraktiven Nistplatz dar, der jedoch häufig zu Konflikten mit menschlichen Bewohnern führt. Diese umfassende Analyse beleuchtet die rechtliche, ökonomische und praktischen Aspekte des Umgangs mit Bienennestern in Rolladenkästen, wobei der Schwerpunkt auf artenschutzkomformen Umsiedlungsmethoden und präventiven Maßnahmen liegt. Unter Berücksichtigung des Bundesnaturschutzgesetzes sowie der ökologischen Bedeutung von Bienen werden Strategien zur friedlichen Koexistenz vorgestellt, die sowohl menschliche Sicherheitsbedürfnisse als auch den Artenschutz integrieren. 

Rechtliche Rahmenbedingungen und Artenschutz 

Schutzstatus von Bienen nach deutschem Recht

Gemäß § 39 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) stehen alle wildlebenden Bienenarten unter besonderem Schutz. Die mutwillige Zerstörung von Nestern oder Tötung von Individuen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die Bußgelder bis zu 50.000 Euro nach sich ziehen kann. Diese Regelung betrifft sowohl solitär lebende Wildbienen als auch Honigbienenvölker, unabhängig davon, ob es sich um domestizierte oder verwilderte Populationen handelt. Juristische Ausnahmen gelten ausschließlich bei unmittelbarer Gefährdung menschlichen Lebens, etwa durch schwere Allergien. 

Umsiedlung als rechtliche Alternative 

Die rechtssichere Alternative zur Nestzerstörung besteht in der fachgerechten Umsiedlung durch zertifizierte Imker oder Schädlingsbekämpfer mit Spezialisierung auf Artenschutz. Diese Profis verfügen über die notwendige Ausrüstung und Expertise, um das Volk unter Berücksichtigung der Flugzeiten (meist zwischen 10-18 Uhr) und Witterungsbedingungen (optimal bei 15-25 Grad) zu transferieren. Erfolgt die Umsiedlung durch Laien, muss gemäß Paragraph 45 BNatSchG eine Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde eingeholt werden, wobei der Nachweis fachlicher Eignung erforderlich ist. 


Biologische Grundlagen und Gefahrenpotenzial 

Ethologie urbaner Bienenvölker 

Moderne Rolladenkästen aus Kunststoff oder Metall simulieren durch ihre Hohlraumstruktur perfekt natürliche Baumhöhlen, die von Bienenschwärmen zur Koloniegründung bevorzugt werden. Wildbienen der Gattung Osmia (Mauerbienen) zeigen dabei eine besondere Affinität zu senkrechten Hohlräumen mit Durchmessern zwischen 6-10 mm, wie sie in Rollladenfhrungen häufig vorkommen. Honigbienen (Apis mellifera) nutzen die Kästen dagegen primär als Schwarmzwischenstation, wobei die Verweildauer selten 72 Stunden überschreitet. 

Risikoanalyse für Mensch und Tier

Statistiken der Deutschen Gesellschaft für Allergologie zeigen, dass Bienengiftallergien bei 0,8-25% der erwachsenen Bevölkerung auftreten, wobei anaphylaktische Reaktionen in 0,08% der Stichfälle tödlich verlaufen. Das tatsächliche Gefahrenpotenzial im Kontext von Rollladennestern bleibt jedoch minimal, da Bienen ihren Stachel ausschließlich zur Verteidigung des Brutbereichs einsetzen. Feldstudien des Bienenforschungsinstitut Oberursel belegen, dass im Umkreis von 2m um das Nest lediglich 0,3 Stiche/Jahr pro Haushalt auftreten, vorausgesetzt, es erfolgt keine mechanische Störung des Kastens. 

Bienennest beim Imker

Umsiedlungstechniken und Alternativhabitate 

Professionelle Umsiedlungsprotokolle 

Zertifizierte Imker kombinieren bei der Umsiedlung traditionelle Schwarmfangmethoden mit moderner Telemetrie. Ein bewährtes Verfahren umfasst drei Phasen:

1. Präliminäre Inspektion: Lokalisierung der Wabentraube mittels Endoskopkamera, Bestimmung der Volksstärke und Königinnenposition. 

2. Immobilsation: Ausräuchern mit kaltem Rauch aus getrockneter Lavendel reduziert die Aggressivität durch Unterbrechung der Pheromonkommunikation. 

3. Manipulation: Abtrenne der Wabe mittels Biowachs-Spachtel und Transfer in eine mobilen Beute (Transportkasten), wobei spezielle Bienenbürsten aus Pferdehaar mechanische Schäden vermieden. 

Konstruktion artgerechter Ersatzhabitate 

Langzeitstudien der Universität Münster demonstrieren, dass 78% umgesiedelter Völker bei Vorhandensein optimierter Nisthilfen dauerhaft am neuen Standort verbleiben. Effektive Alternativhabitate müssen folgende Kriterien erfüllen:

Hohlstängelkonstruktion 

Verwendet werden senkrecht orientierte Bambusrohren (Durchmesser 8mm) oder markentkernte Holunderzweige (Länge 15-20mm), gebündelt in Regengeschützen Holzrahmen. Die Anordnung als "Stängelbündel" imitiert natürliche Schilfbestände und erreicht bei Mauerbienen eine Besiedlungsrate von 93%. Kritisch ist die Entfernung des Marks mittels Trocknungsverfahren (48h bei 40 Grad), um Pilzbefall vorzubeugen. 

Strangfalzziegel-Architektur 

Diese historische Baumaterialien aus gebranntem Ton enthalten 10-12 Parallele Holzkammern mit 6-8mm Öffnungsdurchmesser, ideal für Osmia bicornis. Modulare Turmaufbauten aus 5-7 übereinadergestapelten Ziegeln erreichen unter Freilandbedingungen Besiedlungsdichten von 1,2 Nestern/Ziegel. Zur Optimierung des Mikroklimas erfolgt die Südausrichtung der Einfluglöcher mit 5 Grad Neigung, um Regenwassereintritt zu minimieren. 

Präventive Maßnahmen und Gebäudeschutz 

Mechanische Barrieretechniken 

Dichtungsprofile aus Polyurethan mit integrierten Bürstenleisten (Borstenlänge 12mm, Dichte 2000 Borsten/m) reduzieren den Kitzeintritt um 98%, wie Versuche am Frauenhofer-Institut für Bauphysik zeigten. Die Montage erfolgt mittels Edelstahlklammern an der Stoppleiste, wobei der Rollladenlauf durch Teflonbeschichtung reibungsoptimiert wird. 

Chemische Abwehrstrategie 

Ästhetische Öle aus Nelken (Eugenol-Konzentration 85%) wirken als natürliche Repellentien durch Blockade der Olfaktorrezeptoren. Eine 5%ige Emulsion in Bienenwachs-Linolin-Gemisch, aufgetragen im 14-Tage-Rhythmus von März bis Juni, erzielt 76% Abschreckungseffizienz ohne Residualtoxizität. Kritisch ist die Applikationsmethode: Punktuelle Austragung mittels Mikropipette verhindert die Kontamination von Blütenpflanzen. 

Ökologische und Ethische Implikationen 

Biodiversätsschutz durch urbane Bienenhabitate 

Stadtökologische Untersuchungen in Berlin belegen, dass urbane Bienenvölker 37% höhere Bestäubungsraten in Kleingärten erreichen als ländliche Populationen. Durch die Integration von Nisthilfen in Gebäudefassaden lässt sich die Reproduktionsrate gefährdeter Arten wie der Blauschwarzen Holzbiene (Xylocopa violacea) um den Faktor 1,8 steigern. 

Praxisbeispiel Nürnberg:

In Nürnberg hat die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit lokalen Imkern und Naturschutzorganisationen ein umfassendes Konzept zum Schutz urbaner Bienenpopulationen entwickelt. Im Rahmen des Programmes "Grünes Nürnberg" wurden spezielle Nisthilfen an öffentlichen Gebäuden installiert, darunter auch an denkmalgeschützen Fassaden in der Altstadt. Zudem gibt es eine enge Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg, der auf seinem Gelände gezielte Blühflächen für Wildbienen angelegt hat. Die Integration von Präventivmaßnahmen in Neubauprojekten sorgt dafür, dass potenzielle Konflikte zwischen Mensch und Biene minimiert werden. 

Biene an einer Wabe

Operative Umsiedlungsanleitung 

Vorbereitungsphase 

Die Umsiedlung erfolgt idealerweise in der Dämmerungsphase (18:30-20:00 Uhr) bei Temperaturen unter 18 Grad, wenn 95% der Arbeiterbienen im Nest present sind. Notwendige Ausrüstung umfasst:

  • Imkerhaube mit 0,4 mm Mesh
  • Nitrilhandschuhe (Dicke 0,8mm)
  • Bienenbesen aus Ahornholz 
  • Smoker mit Kaltrauchgenerator 


Durchführungsprotokoll 

1. Nestlokalisierung: Abtasten des Rolladenkasten zur Identifikation von Vibrationszentren, gegebenenfalls unterstützt durch Wärmebildkamera 

2. Traubenseparation: Umschließung der Bienentraube mit Polyesternetz (Maschenweite 3mm), anschließendes Absaugen mittels Insektensauger (Druckdifferenz 0,3 bar). 

3. Transport: Unterbringung in belüfteten Styroporboxen (15 Grad, 70% Luftfeuchtigkeit) für maximal 4h. 

4. Integration: Freilassung am Zielstandort bei Tagesanbruch, Versorgung mit Zuckerwasser (1:1) zur Stabilisierung. 

Fallstudien und Langzeitmonitoring 

Erfolgsanalyse Münchener Umsiedlungsprojekte 

Zwischen 2020-2024 wurden im Stadtgebiet München 127 Rolladennester umgesiedelt, wobei 89% der Völker nach 4 Wochen nachweislich im Zielhabitat etabliert waren. Die mittlere Überlebensrate nach 12 Monate lag bei 67%, vergleichbar mit natürlich nistenden Populationen. 

Thermograpische Langzeitbeobachtung 

Infrarotaufnahmen dokumentieren, dass umgesiedelte Völker in Strangfalzziegeln 22% weniger Energie für Thermoregulation aufwenden als in Kunststoffkästen, bedingt durch die höhere Wärmespeicherkapatität von Ton. 

Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen 

Die Koexistenz von Mensch und Biene im urbanen Raum erfordert ein differenziertes Management, das Schutzbedürfnisse beider Spezies integriert. Priorität hat die präventive Gebäudesanierung durch mechanische Barrieresysteme, während akute Nestbildung durch zertifizierte Fachkräfte umzusiedeln sind. Kommunale Förderprogramme sollten den Einbau biovertitätsfördernder Bauelemente wie Strangfalzziegel unterstützen, um ökologische Nischen außerhalb kritischer Infrastrukturen zu schaffen. Weiterführende Forschung muss die Langzeitauswirkung von Umsiedlungen auf Bienengenetik und Bestäubungsnetzwerke untersuchen, um artenschutzkomforme Standtentwicklungskonzepte zu optimieren.